Sex nach Schwangerschaft und Geburt: Das stellt Männer wie Frauen vor ganz neue Fragen und Herausforderungen.
Insbesondere das erste Kind stellt das Leben der Eltern auf den Kopf. Von Mann und Frau zu Papa und Mama – das ist wunderbar, verwirrend, beglückend, ungewohnt, zusammenschweißend, konfliktträchtig, bezaubernd, herausfordernd, unbegreiflich, kräfteschenkend, energieraubend – und manchmal all dies gleichzeitig und durcheinander.
Und dann auch noch Sex?
Manche Paare möchten am liebsten sofort wieder loslegen, ihr Glück als Elternpaar auch im Bett miteinander genießen. Andere brauchen etwas Zeit, um sich auch körperlich auf die neue Situation einzustellen.
Beides ist normal und okay.
Wenn Ihr ganz schnell wieder Sex haben möchtet, solltet Ihr mit Arzt oder Hebamme Rücksprache halten. Je nachdem, ob und welche Verletzungen bei der Geburt aufgetreten sind, müssen die Wunden erst ausreichend verheilt sein. Manche Ärzte raten, mit dem Sex abzuwarten, bis der Wochenfluss aufgehört hat, um ganz sicherzugehen, dass keine Infektionen entstehen. Auch wenn Ihr vom Arzt grünes Licht habt: Kondom verwenden!
Ansonsten könnt Ihr Eure Lust vorerst auch vorsichtig ausleben – mit Küssen, Kuscheln, Handbefriedigung …
Viele Paare denken nach der Geburt jedoch nicht gleich wieder an Sex. Statistisch sind es eher die Frauen, die keine Lust haben. Das ist kein Wunder.
Im Zentrum ihres Lebens steht nun ganz automatisch: das Baby! In der Theorie war es kaum vorstellbar, jetzt ist es einfach so – das kleine Wesen ist 24 Stunden da, präsent und selbstverständlich fordernd. Und Mama ist von der Natur her dafür vorgesehen und ausgerüstet, für ihr Kind da zu sein.
Ihr Körper hat mit Schwangerschaft und Geburt eine fast unbegreifliche Höchstleistung vollbracht, mit dem Stillen sorgt er nun auch noch für die Ernährung und das Wohlergehen des Babys. Der nicht mehr babyrunde Körper muss erst wieder ein neues Körpergefühl entwickeln. Möglicherweise kommen Verletzungen hinzu (zum Beispiel ein Damm- oder Scheidenriss, der genäht werden musste), eventuell auch starke emotionale Erlebnisse bei der Geburt, die – positiv oder negativ – erst verarbeitet werden müssen.
Begleitet wird das Ganze von einer hormonellen Achterbahn, die die Mutter nicht selten in bisher unbekannte Gefühlsbereiche stürzt. Und vielleicht muss erst eine neue Verhütungsmethode gefunden werden? Manch eine Frau, die früher hormonell verhütet hat, möchte das jetzt nicht mehr.
Dann noch eine ordentliche Portion Schlafmangel, die mit Baby im Haus einfach dazugehört, sowie die vielen neuen Forderungen mit Baby (Geht es ihm gut? Hat es Hunger? Warum weint es? Wo schläft es am sichersten? Wie gehe ich mit den hunderttausend Ratschlägen um, die auf mich einprasseln?) – so wird verständlich, warum Kopf und Körper der Mama nicht unbedingt Kapazitäten frei haben für intensive Intimität mit ihrem Partner.
Die Umstellung für den Papa erscheint daneben – von außen betrachtet – gering. Dem ist aber nicht so. Auch wenn Männer keine Schwangerschaft und Geburt am eigenen Körper hinter sich gebracht haben: Emotional ist auch der Wandel von Mann zu Papa eine riesige Herausforderung.
Die jüngste Forschung hat nachgewiesen, dass auch Männer mit Schwangerschaft und Geburt einen hormonellen Umstellungsprozess durchmachen. Unter anderem sinkt der Testosteronspiegel und macht einem höheren Prolaktinspiegel Platz. Prolaktin sorgt für ein fürsorgliches Verhalten.
Und natürlich werden auch die Papas gewaltig (Tag und Nacht) gefordert von den Bedürfnissen ihres Babys.
Das Allerwichtigste in dieser Situation: Gesteht Euch beiden die Zeit zu, die Ihr braucht. Seht all diese Veränderungen und Unsicherheiten als normal an. Millionen von Eltern erleben Ähnliches!
Für den Mann: Nimm die Veränderungen der Partnerin nicht persönlich! Auch wenn sie anfangs vielleicht weniger Lust hat als Du, so hat dies im Normalfall nichts mit Deinem Verhalten zu tun, sondern mit den genannten allumfassenden Umstellungen, die enorm viel Energie kosten.
Ihr für Dich schon wieder begehrenswerter Körper fühlt sich für die Frau vielleicht noch einfach seltsam an. Unlust könnte auch Unsicherheit bedeuten – und andersherum kann behutsame Zuwendung und Zärtlichkeit wohltuend und bestärkend wirken.
Hilfreich ist es, wenn Mama und Papa nicht als Einzelkämpfer auftreten, sondern wenn das Projekt Familie von Anfang an ein gemeinsames Projekt ist. Wenn beide sich mit ihren Fähigkeiten ums Baby kümmern, Bedürfnisse und Unsicherheiten, Fragen und Sorgen teilen, zusammen in das Abenteuer des Lebens mit Kind(ern) hineinwachsen, dann schweißt das zusammen und sorgt für Nähe, die der Partnerschaft guttut und sicherlich auch gute Voraussetzungen schafft für Intimität.
Auch wenn einer der beiden Partner noch keine Lust auf Sex hat. Gespräche, spontanes Kuscheln oder andere kleine Zeichen für die Liebe können diese Zeit überbrücken und das Paar stärken. Vielleicht auch eine gemeinsame DVD im Wohnzimmer statt des großen Kinos. Oder ein Cafébesuch am Nachmittag, wenn die Oma für ein, zwei Stunden auf das Baby aufpasst, statt des ausführlichen Abendessens im Restaurant. So entsteht auch in der “Babyzeit” Nähe und Vertrauen – und auf einmal ist die Lust wieder da!
Übrigens kann Stillen die Lust sogar fördern: Das Hormon Oxytocin, das vor allem für den Milchspendereflex bei der Frau verantwortlich ist, wird nicht nur als “Vertrauenshormon”, “Kuschelhormon” oder “Bindungshormon” bezeichnet, sondern reduziert auch nachweislich Stress. Und dies ist bekanntermaßen eine optimale Voraussetzung für weibliche Lust!
Falls nicht und falls noch nach Monaten oder länger Funkstille im Bett herrscht, obwohl einer von Euch durchaus wieder Lust hat, wäre eine Lösung, sich professionelle Hilfe zu holen. Oft reicht nur ein kleiner Anstoß, zum Beispiel in einer Beratungsstelle, um der Lust wieder näher zu kommen. Bei bleibenden körperlichen Problemen wäre der Arzt der erste Ansprechpartner.
Ob Ihr nun nach wenigen Wochen oder nach ein paar Monaten wieder Sex habt:
Das 1. Mal nach der Geburt ist nicht nur aufregend neu, sondern kann auch unglaublich intensiv erlebt werden. Speziell bei der Frau, die durch Schwangerschaft und Geburt meist ein sehr sensibles Körpergefühl entwickelt hat, werden oft ungeahnte Empfindungen geweckt! (Und nebenbei bemerkt: die berüchtigte “Salami im Hausflur” – als Beschreibung des Geschlechtsverkehrs nach der Geburt – ist nichts anderes als ein fieses Gerücht!)
Manch eine Frau klagt nach der Geburt und in der Stillzeit über Trockenheit in der Scheide. Hier gibt es ein einfaches Mittel: Gleitgel! Die Auswahl ist riesig, auch an kondomverträglichen Gleitmitteln.
Ganz wichtig: Stillen allein ist kein ausreichendes Verhütungsmittel! Auch wenn Stillen nach Bedarf bei manchen Frauen die Fruchtbarkeit mindert, könnt Ihr Euch auf keinen Fall darauf verlassen. Es gibt Frauen, die trotz Dauerstillen einen Eisprung und einen regelmäßigen Zyklus haben. Das Tückische auch: der erste Eisprung nach der Geburt findet meist vor der ersten Blutung statt. Es ist also schwierig, diesen zu erkennen – und hinterher ist es zu spät! Also, sofern Ihr nicht sofort ein weiteres Baby möchtet: Kondom immer in Bereitschaft haben! Wenn das Baby schläft und Ihr beide Lust aufeinander habt, wäre es schade, erst noch nach dem Gummi suchen zu müssen.
Lustfördernd ist es, auch mal mit spontaner Zuwendung zufrieden zu sein oder den Quickie, der jäh vom Babygeschrei gestört wird, trotzdem wertzuschätzen und zu genießen. Bald werden auch wieder andere Zeiten kommen!